Die Musterschule (2)

Die Musterschule (2) – Über den Einzug von Grausamkeiten durch die Hintertür

Von Michael Ley & Carl Vierboom

(1) Nur wenige Tage, nachdem wir uns mit einer raffinierten Variante der Maskenpflicht befasst haben, erreicht uns die Meldung, dass in verschiedenen Städten des Landes der Versuch unternommen wird, die schwache Nachfrage nach Corona-Impfungen mit Hilfe von Impfbussen anzuregen. Die mobilen Impfkommandos sollen die vor allem in Stadtteilen Aufstellung nehmen, in denen sich die Bewohner bisher der Impfung in großer Zahl verweigert haben. Man kann sie je nach Standpunkt entweder als „Booster“ oder als „letztes Aufgebot“ der Impfkampagne verstehen, die immer mehr zum Rohrkrepierer zu werden droht.

Aus Zeit- und Geldgründen, aus Gedankenlosigkeit oder auch mit vorsätzlicher Berechnung nehmen die Impfmobile nicht selten Aufstellung auf Schulhöfen. Ihr Angebot richtet sich dabei sowohl an Schülerinnen und Schüler der jeweiligen Schulen als auch an die Bürger aus der Umgebung der Schule. Es ist anzunehmen, dass die Verwaltung auf diese Weise zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen versucht: einerseits Erhöhung der Impfquote unter Jugendlichen; andererseits Rekrutierung von Erwachsenen, die sich der Aufgabe von „nationaler Tragweite“ bisher entzogen haben.

Dass die Schulen sich für solche Maßnahmen zur Verfügung stellen, ist nichts Ungewöhnliches. In der Vergangenheit sind medizinische Massen- oder Reihenuntersuchungen ebenso wie Vorsorgeimpfungen auch in Schulräumen durchgeführt worden. Die Schulräume waren früher Orte für militärische Musterungen und sie sind bis heute Orte, an denen öffentliche Versammlungen oder Wahlkabinen eingerichtet werden. Schulen sind keine unabhängige oder selbständige Organisationen. Sie sind Teil des Staatsapparates und können deshalb jederzeit für die Interessen des Staates herangezogen werden.

Beim Impfen treffen staatliche Aufgaben aber auf die Individualinteressen der Bürger, die in diesem Fall besonders hoch anzusetzen sind, weil es sich hier um einen Eingriff in den menschlichen Körper handelt. Aus juristischer Sicht stellt die Impfung eine medizinische Operation dar. Sie verlangt deshalb in jedem Fall die Einstimmung desjenigen, der von dieser Operation betroffen ist. Jeder, der sich in der Vergangenheit in ein Impf-Zentrum begeben hat, muss zunächst bestätigen, dass er ein umfangreiches Papier mit Hinweisen auf mögliche Komplikationen und Risiken gelesen hat und anschließend unterschreiben, dass er Ärzte, staatliche Stellen und schließlich auch die Hersteller von jeglicher Haftung für diese Risiken ausschließt.

Sobald es sich um die Impfung von Minderjährigen handelt, wird die Sachlage noch komplizierter, denn dann ist zusätzlich die Einwilligung der Erziehungsberechtigten erforderlich. Es wird unterstellt, dass Kinder oder Jugendliche noch nicht in der Lage sind, die gesamte Tragweite des Eingriffs abzuschätzen, weshalb letztlich die Eltern die Verantwortung für die damit verbundene Entscheidung übernehmen müssen. Um diese Entscheidung zu erleichtern, hat die Verwaltung nur die Zustimmung eines einzigen Elternteils verpflichtend vorgeschrieben und die Grenze der Zustimmungspflicht außerdem auf das Alter von 16 Jahren heruntergesetzt.

(2) Die komplizierte Ausgangslage, die bei der Impfung von Kindern und Jugendlichen aus rechtlicher Sicht berücksichtigt werden muss, war für einige Aktivisten aus der Gruppe der Impfgegner offenbar Anlass, einzelne Schulen, an denen die Impfbusse in Stellung gehen sollten, im Vorfeld über die Situation anzuschreiben. Per Mail wurden die Schulleitung und offenbar auch einzelne Lehrkräfte darüber aufgeklärt, dass es sich bei der geplanten Maßnahme um eine in juristischer Hinsicht heikle Angelegenheit handeln könnte, die unter Umständen auch rechtliche Konsequenzen für die Schulleitung oder die daran beteiligten Lehrkräfte haben könnte.

Obwohl davon auszugehen ist, dass die Schulen über die rechtliche Sachlage umfänglich informiert wurden, haben die Aktivisten offenbar versucht, die Schulen an eine Grenze zu erinnern, die in einer demokratisch verfassten Gesellschaft auf keinen Fall überschritten werden darf: nämlich die Grenze, die mit dem Recht auf den eigenen Körper verbunden ist. Die Schule darf sozusagen nicht körperlich werden. Sie kann viele Mittel einsetzen, und zwar auch solche Mittel, die wie beispielsweise die Schulpflicht als Zwangsmittel zu bezeichnen sind. Das Bestimmungsrecht über den eigenen Körper darf aber nicht ohne weiteres vergemeinschaftet werden. Es ist letztlich ein Gut, das unantastbar bleiben muss.

Das bedeutet noch nicht, dass die Maßnahmen, die im Innern der Impfbusse durchgeführt werden sollen, unrechtmäßig wären. Würde man den Einwand der Aktivisten positiv deuten, dann stellen sie vielmehr eine Aufforderung dar, diese Maßnahmen nach allen Seiten zu prüfen, vielleicht auch im Rahmen eines öffentlichen Forums. So, wie die Massenimpfungen bisher durchgeführt wurden, ist eine gründliche Abwägung ihre Vor- und Nachteile zumindest im öffentlichen Raum jedenfalls nicht erfolgt. Die Impfung der Bevölkerung ist vielmehr unter erheblichem zeitlichen und propagandistischen Druck durchgeführt worden. Sie hat den Bürgern gerade auch im Zusammenhang mit der Frage der Kinderimpfung kaum Zeit zur Besinnung gelassen.

Selbstverständlich kann man darüber streiten, ob eine Rundmail an die Schule ein geeignetes Mittel darstellt, die Öffentlichkeit zu einer solchen Besinnungspause zu veranlassen. Vielleicht wäre es sinnvoller gewesen, das direkte Gespräch mit der Schule und den Lehrkräften zu suchen. Vielleicht hätte man auch die Vermittlung durch Parteien oder lokale Politiker suchen können. Andererseits muss man aber auch daran erinnern, dass die Schulen ihre Bekanntmachungen, Aufforderungen und Anordnungen heutzutage ebenfalls fast ausnahmslos über E-Mails weitergeben. Normalerweise wird Eltern oder Schülern dabei keinesfalls die Möglichkeit zu Einsprüchen oder Besinnungspausen eingeräumt.

Leider verweigert sich auch die Politik seit mehr als anderthalb Jahren einer ernsthaften Auseinandersetzung über Sinn und Zweck der Corona-Maßnahmen. Diese Maßnahmen werden vielmehr ausschließlich durch medizinische Sachzwänge begründet und im Rahmen der damit verbundenen Argumentationslinie als „alternativlos“ dargestellt. Darüber hinausgehende gesellschaftliche oder politische Implikationen werden nicht nur weitgehend ignoriert, sondern auch diejenigen als Staatsfeinde diffamiert, die solche Implikationen zum Gegenstand einer gesellschaftlichen Auseinandersetzung machen wollen.

(3) In dieselbe Richtung zielt auch die Antwort der Schule, die Kenntnis von der Maßnahme der Aktivisten erhalten hat. Anstatt die Mail zu ignorieren, anstatt den Aktivisten ein Gespräch im kleinen Kreis anzubieten, anstatt vielleicht sogar eine Informationsveranstaltung anzubieten, wie es eigentlich bei allen für Schüler, Eltern und Schule bedeutsamen Vorgängen üblich ist, reagiert die Schule empört. Sie behauptet, bei der Mail würde es sich um einen Drohbrief handeln, der von rechten Aktivisten lanciert worden sei, Falschinformationen über Corona und die Impfkampagne in Umlauf bringen würde und letztlich als Anschlag auf den Staatsapparat zu bewerten sei.

Wie das für befürchtete oder bevorstehende Anschläge vorgeschrieben ist, informiert die Schule gleichzeitig die vorgesetzte Behörde und ruft die Polizei zu Hilfe. Diese eilt unverzüglich herbei, nimmt die Sachlage in Augenschein und kündigt an, die geplante Impfmaßnahmen in Zukunft mit eigenen Einsatzkräften zu schützen. Wenig später nimmt nicht nur das Impfmobil der Stadt, sondern auch ein Einsatzwagen der Polizei Aufstellung auf dem Schulhof, der fortan gegen Aktivisten, Falschinformationen und Mitglieder der AfD vollkommen geschützt ist.

Nicht geschützt wird jedoch allem Anschein nach das Recht auf Abwägung aller Teilinteressen, die in der Angelegenheit gehört werden müssen. Die Schule macht sich einseitig zum Sachwalter des Staatsinteresses und bedient sich polizeilicher Mittel, um diese Interessen durchzusetzen. Fragen, Kritik oder gar Widerspruch sind nicht erlaubt, sondern werden bereits im Ansatz erstickt. Wer der vorgeschriebenen Linie nicht folgen will, der wird in die rechte Ecke gestellt und mundtot gemacht.

Im Grunde ist das eine Fortsetzung der Musterschule, wie wir sie im vergangenen Beitrag beschrieben haben. Wie der Musterschüler in der Klasse, so kennt auch die Musterschule nur eine bestimmte Richtung. Alles, was das Muster in Frage stellt, wird als Angriff auf die eigene Identität verstanden und bekämpft. Im ersten Fall endet das noch beim Maskenzwang, der Einsprüche und Widersprüche zum Verstummen bringt. Im hier beschriebenen Fall wird die Polizei zu Hilfe gerufen, um diejenigen dingfest machen, von denen man glaubt, dass sie die staatstragende Rolle der Schule anzweifeln oder in Frage stellen.

Besonders unangenehm erscheint dabei der Versuch, die ursprüngliche Ausgangslage umzukehren und sich selbst als Opfer übergriffiger Maßnahmen zu stilisieren. In Wirklichkeit ist es ja die Schule, die mit der Einwilligung in die Aufstellung von Impfbussen auch die Zustimmung zur Verabreichung eines, wie wir inzwischen wissen, in seiner Wirkung ausgesprochen fragwürdigen Impfstoffes erteilt, die darüber auch den Schülern ihr Interesse an einer möglichst umfassenden Durchimpfung der Schülerschaft signalisiert, die damit einen kaum zu übersehenen Gruppendruck erzeugt und insgesamt ein „Angebot“ macht, das man nicht ablehnen kann: Die Impfaktion auf dem Schulhof ist eigentlich eine Form von Nötigung und Erpressung.

Diese Nötigung wird aber in dem Moment umgedreht, in dem ein kleiner Kreis von Protestlern den Versuch unternimmt, die Maßnahmen der Schule als das zu entlarven, was sie in Wirklichkeit sind. Dann ist es auf einmal nicht mehr die Schule, die handelt und aktiv ist, sondern dann sind es die Aktivisten, die den Frieden in Schule und Gesellschaft bedrohen und gegen die sich Schule und Gesellschaft zur Wehr setzen müssen. Aus den Gesunden, den Normalen, den einigermaßen klar und aufrecht Denkenden, den Fragenden, den Verstehen-Wollenden werden die Kranken, die Abweichler, die Querdenker und die Faschisten.

(4) Man möchte sich nicht vorstellen, was im Innern einer solchen Musterschule vor sich geht. Wahrscheinlich wird in den Klassenzimmern und auf den Fluren der Schulen kein einziger Schüler angeschrien, drangsaliert oder fertiggemacht. Wahrscheinlich wird es viele freundliche, verständnisvolle, einfühlsame „Gespräche“ geben, in denen Schüler, Eltern und Lehrkräfte über alles sprechen können, in denen sämtliche Vorgänge transparent und offen behandelt und vor allem auch alle unterschiedlichen Ansichten oder Standpunkte ausgiebig zur Kenntnis genommen werden.

Wahrscheinlich braucht aber nur ein einzelner Schüler aus der Reihe zu tanzen und den allgemeinen Glauben an die Gemeinschaft der Musterschüler in Frage zu stellen und es wird ein Tribunal einberufen, auf dem der betreffende Schüler an den Pranger gestellt und zum Bekenntnis seiner Verfehlungen gezwungen wird. Ist der Übeltäter erst einmal dingfest gemacht, dann wird er für den Rest der Schullaufbahn keine Chance mehr haben. Er wird sich im Status der Nicht-Existenz wiederfinden und darauf angewiesen sein, dass ihm im Umkreis der Schule ein paar freundliche Menschen dabei behilflich sind, den letzten Rest persönlicher Würde und Anstand zu wahren.

Vielleicht wird es aber auch so sein, dass die Schule sich in Zukunft nicht mehr damit begnügen wird, abweichende Meinungen einfach zum Schweigen zu bringen. Vielleicht wird sie Corona auch zum Anlass nehmen, solche Abweichungen mit Hilfe der Polizei zu verfolgen und festzusetzen. Vielleicht wird der Einsatzwagen, der für den Zweck der Impfung herbeigerufen wurde, in Zukunft für immer auf dem Schulhof stehenbleiben und den ordnungsgemäßen Betrieb der Schule überwachen. Vielleicht wird der Polizei sogar ein eigener Container zur Verfügung gestellt, der allen Akteuren signalisiert, dass es der Schule letztendlich darum geht, dem Staat zu seinem Recht zu verhelfen.

Am Ende könnte Tucholsky, den wir im vorigen Beitrag zitiert haben, Recht behalten, wenn er sagt, dass sich hinter den angeblichen Tugenden des Musterschülers in Wirklichkeit Gewalt, Überheblichkeit und Arroganz verbergen. Vielleicht ist auch die deutsche Musterschule schon gerade auf dem Weg, zur Polizeischule zu werden. Sie wäscht ihre Hände in Unschuld und ruft zugleich die Polizei zu Hilfe, um alles Individuelle und Persönliche zu unterdrücken, das sich jenseits der kollektiven Maske zum Ausdruck bringen will.

 

Tucholsky, Kurt (1925): Der Primus. In: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 4. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, S. 75-76.  URL: http://www.zeno.org/nid/20005810388

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