Corona-Schule: Intro

Intro: Warum wir jetzt auch noch einen Blog machen

Das Schulsystem wird von den Auswirkungen der gegenwärtigen Krise in besonderem Maße getroffen. In Deutschland gehen jeden Tag elf Millionen Kinder zur Schule. Mit den Eltern der Kinder, den Großeltern, die an vielen Stellen für die Eltern einspringen und natürlich den Lehrkräften, den Verwaltungsbeamten, den Sekretärinnen, Hausmeistern, Sozialarbeitern, Nachhilfelehrern usw. ist fast die Hälfte der Bevölkerung mittelbar oder unmittelbar in den Schulbetrieb eingebunden.

In den vergangenen Wochen und Monaten konnten wir verfolgen, wie Corona sich auf den Alltag dieser Menschen auswirkt: wie sich Ängste und Befürchtungen hier fast ebenso rasch ausgebreitet haben wie das Virus selbst; wie die Schule sich in der öffentlichen Wahrnehmung von einem Schutz- und Übergangsraum zu einem Ort möglicher Ansteckungen und Infektionen gewandelt hat; wie hastig und in vielen Fällen auch unüberlegt zahlreiche Gegenmaßnahmen getroffen wurden, die den Alltagsbetrieb der Schule inzwischen immer mehr erschweren oder vollends unmöglich machen.

Die Verantwortlichen in Schule und Verwaltung haben alle Hände voll zu tun, um die notwendigen Voraussetzungen für den Regelbetrieb der Schule zu schaffen. Schon aus Zeitgründen sind sie bisher noch nicht dazu gekommen, sich die Auswirkungen dieser Maßnahmen genauer anzusehen und zu prüfen, auf welche Weise die Gestalt der Schule dadurch verändert wird.

Als Wissenschaftler und Berater sind wir hier in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Wir stehen nicht wie die Lehrkräfte vor Ort unter Handlungsdruck und müssen auch nicht wie die Mitarbeiter in der Verwaltung Entscheidungen treffen, die möglicherweise mit schwerwiegenden Folgen für alle Betroffenen verbunden sind.

Dafür können wir aber genauer als die Akteure vor Ort beschreiben, wie die Krise in das Gefüge der Schule eindringt und dort Strukturen auflöst, die für das Funktionieren der Schule unbedingt erforderlich sind: Aus unserer Sicht hat die Corona-Krise für das Schulsystem dieselbe Wirkung wie der Virus, der in einen lebendigen Organismus eindringt. Sie zerstört die selbstheilenden und selbstregulierenden Kräfte dieses Systems und ersetzt sie durch systemfremde und systemschädigende Strukturen.

Für die Betroffenen ist diese Erkenntnis möglicherweise nur ein schwacher Trost.  Andererseits kann es aber durchaus hilfreich sein, wenn man sich über die vielzitierten „Kollateralschäden“ im Klaren wird, die in der Folge der Krise und der damit verbundenen Gegenmaßnahmen in Gang gesetzt werden. Viele Entscheidungen, die vor allem auf politischer Ebene getroffen werden, könnten mit dem Wissen um solche Folgen mit größerer Vorsicht und besserem Augenmaß getroffen werden.

Darüber hinaus kann eine sorgfältige Beschreibung der Schwierigkeiten, mit denen Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Eltern (und Großeltern) tagtäglich zu kämpfen haben, aber auch dazu beitragen, die Lebensbedingungen des „Organismus“ Schule stärker als bisher in den Blick zu rücken. Wenn man verstanden hat, warum dieser Organismus unter den Auswirkungen der Krise an den Rand seiner Existenzmöglichkeiten gerät, dann weiß man vielleicht auch, was zu den „Basics“ dieser Existenz gehört, die man besser nicht aufgibt oder in Frage stellt.

Wir haben uns entschieden, einen Blog zum Thema Corona-Schule zu beginnen, weil wir diese „Basics“ der Schule sichtbar machen wollen. Es geht uns nicht darum, alles zu kritisieren, was im Zusammenhang der Krise falsch gemacht wird. Wir wollen aber darauf aufmerksam machen, dass der Alltag in der Schule ein anderes Konzept braucht als das der Virenbekämpfung: Je mehr die Menschen sich vor Krankheit und Tod fürchten, um so mehr laufen sie Gefahr, das Leben in dieser Welt zu verlieren.

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